Ausgeräuchert

Letztlich war es sehr gut so. Vielleicht hätten wir unseren Tag ja sonst ganz anders verbracht, als mit einem Besuch des Städtchens Kinsale. Unter den gegebenen Umständen war es jedoch keine Option, einfach zuhause zu bleiben. Doch der Reihe nach: Gegen acht Uhr morgens sah es draußen noch sehr nett aus. Es schien tatsächlich ein sommerlicher Tag zu werden. Also raus aus den Federn und gefrühstückt. Da kam es uns schon merkwürdig vor, dass die Kühe auf dem Nachbargrundstück nicht - wie sonst - neugierig über den Zaun zu uns herüber schauten. Weit und breit kein Rind auszumachen. Stattdessen näherte sich das Unheil in Form eines Traktors. Vermutlich zur Warnung davor, was nun folgen würde, hatte er extra die gelbe Signallampe auf seinem Dach angeschaltet. Denn es war … Düngetag! Stetig zwischen seinem Hof und der Weide hin und her pendelnd, versprühte der Bauer Hektoliter an Kuhdung auf den Wiesen. Schon nach kurzer Zeit verbreitete sich das unverwechselbare Aroma des Landlebens in unserem Cottage. 

Also schnell fertig gemacht und auf die Straße Richtung Osten. 1,5 Stunden brauchten wir bis nach Kinsale. Unterwegs war es inzwischen wieder nebelig geworden, es hatte sich zugezogen und streckenweise kam sogar Regen herunter. Kaum waren wir allerdings angekommen und hatten den Wagen geparkt, hörte der verbliebene Nieselregen auf und wir blieben wieder einmal den ganzen Tag lang trocken. Auch wenn er mit Sonne sicher noch schöner gewesen wäre, war der als Gourmet- und Künstlerstädtchen bekannte Küstenort die Reise wert. Schöne von bunten Häusern gesäumte Gassen, überall nette Cafes und Restaurants, jede Menge Galerien und Shopping-Möglichkeiten - kurzum: Ein pulsierendes Fleckchen Erde, an dem man es sich gerne gut gehen lässt.

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Auch bei trübem Wetter eine Perle des Südens: Kinsale

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Ein Hauch von Dublin mitten in Cork

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Ein Ort voller Farbe und gutem Geschmack ...

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… und mit funktionierendem Nachtleben.

Wir haben Stunden damit verbracht, kreuz und quer durch die Stadt zu stromern, hier und da eine Kleinig- oder Großigkeit zu kaufen und (vielleicht) ein letztes Mal die diesjährige Gelegenheit genutzt, fangfrischen Fisch für abends zu erwerben: Diesmal gibt es übrigens Wittling. Fast wären wir anschließend - es ging auf 16 Uhr zu und wir hatten ja noch eine relativ lange Rückreise vor uns - auf direktem Wege nach Hause gefahren; aber bevor wir zum Auto kamen, schauten wir noch auf einen Sprung im Tourist Office vorbei. Zum einen gab es da WLAN, so dass wir uns schon mal das Hörbuch für die Rückreise nach Deutschland downloaden konnten. Zum anderen gab es die üblichen Flyer für alle möglichen Unternehmungen in der näheren und weiteren Umgebung. Einer davon klang besonders vielversprechend und hatte den Charme, dass die beworbene Attraktion nur einen Katzensprung entfernt lag: Charles Fort - eine der besterhaltenen sternförmigen Festungen in Europa. Spektakuläre Aussichten und eine kleine, aber sehr feine Ausstellung über die Geschichte der um 1670 erbauten Anlage und das vormalige Soldatenleben im Allgemeinen machten den Besuch zu einem echten Highlight - und das bei wirklich moderaten Eintrittspreisen (zusammen 6 Euro). 

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Tritt ein, bring Geld herein!

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Nur noch eingeschränkt bewohnbar: Charles Fort

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Heute keine Feinde in Sicht

Nach Hause gekommen sind wir schließlich erst um 19 Uhr. Besser hätten wir den wettertechnisch eher trüben Tag also vermutlich kaum verleben können - insofern gebührt "unserem" Bauern und seinen Kühen ein großes Dankeschön! Wenn es so endet, lässt man sich ja gerne mal ausräuchern.

© Carsten Seiler 2013