Grenzerfahrung

In Deutschland war heute Wahltag. Ob die AfD in den Bundestag einzieht, bleibt offensichtlich abzuwarten. Dafür haben nicht nur die Piraten eindeutig die Segel gestrichen, sondern auch die Liberalen. Es scheint also ein spannender Abend in Good Old Germany zu werden. Für uns war es hingegen den ganzen Tag spannend: Werden wir nass oder bleiben wir trocken, klärt es auf oder zieht es sich zu? Zwischenzeitlich hat sich der Nachmittag verabschiedet und die Fragen sind nur teilweise beantwortet. Wir sind trocken geblieben. Wie es in Sachen Wetter weiter gehen wird, ist jedoch noch nicht abzusehen. Der zweite Kanal des irischen Nationalsenders 2-FM meldete heute unverdrossen Sonne bei 24 Grad - tja, das war dann wohl in einer anderen Ecke des Landes. Bei uns war es zwar auch stets warm, aber beileibe keine 24 Grad und sonnig nur sehr selten.

Wir hatten im Laufe des späten Vormittags den Gougane-Barra-Waldpark angesteuert - wohl wissend, dass der bei jedem Wetter einen Besuch wert ist und auch vor einsetzendem Regen durchaus schützen kann. Auf der Anfahrt wurde es aber erfreulicherweise heller und einige Sonnenstrahlen verfolgten unseren Weg, so dass wir unerwartet sogar einen Zwischenstop bei Carriganass Castle einlegen konnten, einer der unzähligen malerisch gelegenen Burgruinen in Irland.

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Wieviel Honda für die Werbung wohl zahlt?

Im Walpark angelangt, waren wir zum wiederholten Male von der Ursprünglichkeit, in welcher der Talkessel belassen wird, angetan. Alles wächst kreuz und quer, kein Weg hindurch ist befestigt. Die Iren beschränken sich darauf, hier und da einige Holzbrücken zu schlagen und einige Hinkelsteine an die passenden Stellen zu legen, um die schmalen Pfade durchgängig betretbar zu erhalten. Steile Passagen müssen über Natursteine erklommen werden, an Bächen hüpft man von Fels zu Fels. In Deutschland so nicht denkbar und gerade deswegen eine schöne Erfahrung. Lonely Planet bezeichnet die Gegend als Zauberwald - und das ist ziemlich nahe an der Wahrheit, denn wenn man genau hinschaut, entdeckt man gelegentlich im Unterholz tatsächlich Kobolde und Feen.

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Willkommen im Dschungel!

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Über sieben Brücken musst Du gehn...

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Steine zum klettern und rasten.

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Belohnende Aussichten gibt es reichlich.

Nach einer als Kletterpartie ausgestalteten ersten Runde, brachten wir noch einen zweiten, weit gemächlicheren Rundweg hinter uns, bevor wir uns Richtung Kenmare aufmachten, einem der lebhaftesten Städtchen am berühmten Ring of Kerry. Auf engen Nebenstraßen verliessen wir damit erstmalig unseren Urlaubs-County Cork. In Kerry fühlten wir uns aber genauso schnell nicht weniger heimisch. Dazu beigetragen hat eindeutig der örtliche Eisverkäufer. Und dies nicht nur, weil er in einer der vielleicht besten Eisdielen Irlands arbeitet. Nein: Vor allem, weil er mit Blick auf unser selbstbewusst getragenes Fortuna-T-Shirt erfreut feststellte "Aha, auch Düsseldorfer!". Der gute Mann war von seinen Eltern mit acht Jahren aus der heimlichen deutschen Hauptstadt nach Irland verschleppt worden - ein kurzer Plausch unter Rheinländern brachte die Erkenntnis, dass er es hier sehr gut angetroffen hat. Etwas anderes hatten wir aber auch nicht erwartet. Leider war er selbst kein Fortuna-Fan - nobody is perfect. 

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Bunter Ort, buntes Treiben: Kenmare

Außer dem Eis, das nicht so recht zu der immer spärlicher in Erscheinung tretenden Sonne passen wollte, erstanden wir noch einige Postkarten (für manche Zwecke und Empfänger eignet sich so ein altertümlicher Analog-Blog immer noch besser) und die Einkäufe für die nächsten Tage. Zurück ging es über den Caha-Pass, der Kerry mit Cork verbindet und heute vollends in einer Nebelbank lag. Ein durchaus spannendes Vergnügen, wenn man nur 30 Meter weit schauen kann und aus dem weißen Dunst ab und zu weiße Schafe auf der Straße stehend auftauchen. Wir sind mitunter im besseren Schritttempo durch die teilweise aus dem Fels gesprengten Tunnel gefahren - letztlich gab es dankenswerterweise weder bei  Mensch noch bei Tier Verluste.

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Rechts lauert der Abgrund, hinter jeder Kurve Schafe


© Carsten Seiler 2013