Zum Ersten, zum Zweiten und … … zum Dritten!

Unsere Pläne für den heutigen Tag konnten wir leider nur teilweise in die Tat umsetzen. Das Wetter wusste heute früh noch nicht so recht, was es denn im Laufe des Nachmittages noch werden wollte. Es war zwar trocken und teilweise sogar etwas sonnig, aber insgesamt doch weit entfernt von den beiden vorangegangenen Tagen mit ihrem dauerhaft wolkenlosem Himmel. Also packten wir zwar auf Verdacht die Strand-Klamotten ein, fuhren jedoch zunächst einmal um 11 Uhr Richtung Scibbereen, wo freitags der wöchentliche Viehmarkt abgehalten wird.

Eine Dreiviertelstunde später parkten wir unser Auto im Zentrum des lebhaften Städtchens und machten uns zu Fuß auf die Suche nach dem örtlichen Kuh-Handel. Die zunächst angesteuerte Touristen-Info half uns auf Anhieb bereitwillig weiter und gab uns zur besseren Orientierung gleich mal einen Stadtplan mit auf den Weg. So konnte nichts schief gehen und wir landeten kurz nach 12 Uhr auf dem großen Ausstellungsgelände Scibbereens, wo eine Unmenge Geländewagen mit Hängern sofort den Eindruck vermittelte, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Wären diesbezüglich noch Zweifel verblieben, spätestens die deutlich hörbaren "Muuuh"-Geräusche aus dem Inneren des einzigen Gebäudes am Platze hätten sie endgültig zerstreut.

Kaum hatten wir den Ort des Geschehens betreten, fanden wir uns inmitten einer äußerst gut organisierten, turbulenten Auktion wieder. Vorne der typische Auktionator, auf den Rängen wie am Zaun die lokale Landwirtschafts-Gilde und in der Mitte des Runds die Hauptprotagonisten: Stiere und Kälber in sämtlichen Gewichtsklassen. Ein faszinierendes Treiben, das uns eine ganze Zeit lang in seinen Bann zog. Immer wieder erstaunlich, wie schnell Auktionatoren Zahlen runterspulen können, während sie die Gebote für das Viechzeug entgegen nehmen. Alles erkennbar routiniert dargeboten und jeweils nur kurz unterbrochen von dem regelmäßigen finalen Hammer(zu)schlag. Nicht minder beeindruckend war allerdings die zur Schau getragene Coolness der Agrar-Zunft. Locker und lässig über dem Gelände lehnend und immer mit einem Auge auf die elektronische Anzeigetafel mit den technischen Details der Ware (Alter, Gewicht etc.) schielend, reichte den Nutztier-Investoren stets ein angedeutetes Lupfen des Unterarms, um das Kaufinteresse betont lustlos zu signalisieren.

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Jetzt nur niemandem zuwinken!

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Auch ohne Torero spannend: Arena

Bevor wir vom ersten in den zweiten Auktionsraum wechselten, wo Kühe unter den Hammer kamen, warfen wir noch einen Blick hinter die Kulissen und erkundeten die riesige Zulaufhalle, wo die Vorsortierung und Zusammenstellung der Angebotseinheiten erfolgt, die Tiere nummeriert werden und einen kurzen Gesundheitscheck durchlaufen. Nicht unbedingt etwas für Zartbesaitete, jedoch wäre es auch naiv zu glauben, dass die Tiere ohne Zutun alles selbständig richtig machen würden. Für die meisten von ihnen wird es schließlich der erste Catwalk gewesen sein - und wie schief der gehen kann, weiß schließlich jeder, der schon mal Heidi Klums "Germany's Next Topmodel" gesehen hat.

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Auch im Hintergrund ist harte Arbeit angesagt, ...

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… bevor es schließlich auf den Laufsteg geht.

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Wie bei Heidi: Nicht jede Kuh bekommt ein Foto.

Wer sich noch nicht satt gesehen hat, kann übrigens anschließend in das hauseigene Restaurant einkehren - da stellte sich einem die spontane Frage, was eigentlich mit den unverkäuflichen Exemplaren genau passiert. Ohne die Antwort abzuwarten, beschlossen wir im Anschluss eine ausgiebige Runde durch Scibbereen zu drehen. Vermutlich als Trotzreaktion auf das Erlebte kauften wir unterwegs erst einmal frischen Seehecht für das Abendessen und entdeckten einen beachtlich großen Anbieter von Schiffs- und Segelbedarf. Da der nächste Bootsurlaub nur noch ein halbes Jahr entfernt ist, also die perfekte Gelegenheit, endlich die lang ersehnten Wassersportschuhe zu ergattern. Einmal im Kaufrausch, wurde dann im Zentrum auch noch die dazu passende Softshelljacke klar gemacht. Schließlich ist eine gute Ausstattung das A und O während eines Trips über die Earne-Seenplatte oder auch den Shannon. Zuletzt wurde der örtliche Super-Valu geentert, wo sich unerwartet ein kleines Drama abspielte: Unser Lieblingsbrot - Pat's Pan - war ausgegangen! Wir haben zögerlich zu einer Alternative gegriffen, hoffen auf das Beste und werden berichten.

Das Wetter zog sich derweil merklich zu, aber es blieb trocken - zumindest bis wir im Anschluss an Scibbereen am Lough Hyne ankamen. Wahrhaft ein bemerkenswertes Gewässer, denn es handelt sich nicht etwa um einen Süsswasser- sondern um einen Salzwassersee, der zweimal täglich über einen natürlichen Gezeitenkanal bei Flut mit frischem Meerwasser versorgt wird. Nicht umsonst wurde Lough Hyne schon 1981 zum ersten Meeresschutzgebiet Europas erklärt - hier ist ein einzigartiger Lebensraum entstanden mit einer z.T. exklusiven Planzen- und Tierwelt. Kaum bogen wir auf den Parkplatz am Rande des Sees ein, setzte leider ein leichter Nieselregen ein. Wir beschränkten uns also darauf - im Auto sitzend und die Aussicht genießend - die mitgebrachten Sandwiches zu verdrücken. Da wir den gestrigen Gewaltmarsch noch ein wenig in den Knochen und unter den Füßen spüren, entschlossen wir uns, angesichts der Wetterlage auf die Beach-Party zu verzichten und fuhren gemütlich nach Hause, wo wir seit halb fünf Musik hören, Tee trinken und lesen, während sich draußen die Sichtweite mehr und mehr auf unser Grundstück beschränkt. Der Niesel hält an - irgendwie ein sehr gemütlicher Wochenausklang.

© Carsten Seiler 2013