Reif für die Insel

Nachdem wir vor drei Tagen - aufgrund eingestellter Fährverbindung von Schull aus - von dem Vorhaben zunächst ablassen mussten, nach Cape Clear überzusetzen (und darüber im Nachhinein eigentlich auch ganz froh waren), hatten wir uns für heute vorgenommen, den zweiten Versuch von Baltimore aus zu starten.

Extra früh um halb acht aus den Federn gekrochen, setzen wir uns zwei Stunden später bei makellosem Himmel Richtung südlicher Nachbarhalbinsel in Bewegung, um die 40 Km zum Hafen Baltimores zurück zu legen. Um halb elf sollte die Fähre gen Cape Clear Island starten. Die Route wird im Gegensatz zur Schull-Verbindung ganzjährig befahren - allein schon, um die 110 Einwohner der Insel zuverlässig zu versorgen.

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Zwei Fähren, zwei Ziele - ein echter Wa(h)l-Tag!

Beim Einsteigen auf die Fähre wussten wir noch nicht, dass uns eine denkwürdige Überfahrt bevor stehen sollte, die statt der üblichen 45 Minuten gut 20 Minuten länger dauern würde. Denn nach ca. einer halben Stunde war die Aufregung bei Crew und Passagieren plötzlich groß. Grund dafür war die Sichtung einer großen Finne Backbord voraus. Und tatsächlich: In ca. 100 Metern Entfernung zog einer der Giganten der Meere ruhig seine Bahn. Ob es sich um einen Blau- oder einen Finnwal gehandelt hat, können wir leider nicht genau sagen - bei jedem erneuten Auftauchen zeigte uns Moby Dick lediglich kurz Teile seines Rückens. Der Käpt'n der Fähre ließ sich nicht lange lumpen, dafür den Fahrplan sausen und nahm spontan die Verfolgung auf. Dank des heute beinahe spiegelglatten Atlantiks konnten wir so die Begegnung mit diesem beeindruckenden Lebewesen noch ein wenig länger genießen.

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Irland birgt manches Geheimnis - auch vor der Küste.

Mit der gerne in Kauf genommenen Verspätung trudelten wir schließlich am Pier von Cape Clear ein. Die wenigen Passagiere der Fähre zerstreuten sich schnell und auch wir nahmen unseren Rucksack samt Kamera, um die Insel zu erkunden. Clear Island sollte ja bei schönem Wetter ein Traum sein. Heute war schönes Wetter. Die Insel ist ein Traum.

Nachdem wir eine Zeit lang stetig bergauf marschierten, schlossen wir uns dem längeren der beiden Wanderrundwege an. Es ging zunächst abenteuerlich über kleine Mauern, schmale Stege und kurze Kletterpassagen bis hinauf auf den höchsten Punkt der Insel. Dort angekommen, wurde der Weg zu einem Pfad, auf den man zumeist nur mit Mühe zwei Füße nebeneinander bekam. All das macht man aber natürlich gerne, wenn man dafür beständig mit tollen Aussichten belohnt wird.

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Farbenlehre, made in Ireland.

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Wo Dir's gefällt, da lass Dich nieder.

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Stolpern und Schubsen streng verboten.

Nach einem gemütlichen Picknick, während dem jeder ständig versuchte, weitere Wale auszumachen, vollendeten wir schließlich - nach immerhin 4 1/2 Stunden - unsere Inselrunde und hatten noch eine halbe Stunde Zeit für Eis sowie Mineralwasser, bevor die Fähre wieder starten sollte. Zu dem Zeitpunkt wussten wir allerdings nicht, dass auch die Rückfahrt nicht ohne weitere Vorkommnisse bleiben sollte. Bereits einigermaßen erschlagen von der Wanderung und den Eindrücken des Tages sahen wir uns auf halber Strecke plötzlich erneut mit der Meeres-Fauna konfrontiert. Dieses Mal tobte ein halbes Dutzend Delphine keine fünfzig Meter neben unserem Boot fröhlich durch das immer noch ruhige Meer. Tja, wenn's läuft…

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Ein bemerkenswerter Ausflug nähert sich dem Ende.


© Carsten Seiler 2013