Verschwommene Wahrnehmung

Nein, da konnte man die Brille putzen, wie man wollte: Das Bild wurde einfach nicht klarer. Seit heute Morgen befanden wir uns scheinbar in einem römischen Dampfbad - allerdings ohne die entsprechenden Temperaturen. Man könnte auch schlicht von Waschküche sprechen. Die Sichtweiten ähnelten denen auf dem Caha-Pass gestern und pendelten damit zwischen 50 und 20 Metern. Allzu große Lust, zuhause zu bleiben, hatten wir allerdings trotzdem nicht, packten unsere Klamotten und fuhren erneut Richtung Scibbereen. Zum einen wollten wir noch einmal den dortigen Fischhändler aufsuchen. Zum anderen sollte es von dort aus -  jenseits der größeren Straßen und Wege - an der Küste entlang über Castletownshend und Unionhall langsam aber sicher nach Kinsale in den Osten gehen. Die Route ist bei sonnigem Wetter eine wahre Pracht und wir waren schlicht neugierig, wie sie wohl bei heutigen Wetterverhältnissen wirken würde.

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Geisterschiffe in Castletownshend

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Verkehrsberuhigung auf irisch

Eines ist danach sicher: Bei schönem Wetter ist die Fahrt lohnenswerter. Allerdings hatte auch die heutige Nebelbrühe ihren ganz speziellen Reiz. Alles erschien irgendwie unwirklich, beinahe ein wenig mystisch - insbesondere, weil absolute Flaute herrschte und deshalb neben der eingeschränkten Sicht auch noch gespenstische Ruhe hinzu kam. Da passte es gut, dass wir an einem der in Irland weit verstreuten Stone Circles vorbei kamen. Warum die Steinkreise genau errichtet wurden, kann heute niemand mehr sicher sagen - die letzten Augenzeugen sind vor ca. 3.000 Jahren leider verstorben. Vermutungen reichen jedoch von druidischen Ritualen bis hin zu Anbetungs- und Opferstätten. Auffällig ist auf jeden Fall die absolute Symmetrie der Anordnung und stets gleiche Ausrichtung der Felsbrocken. Völlig einerlei jedoch, ob hier der Zaubertrank des Obelix gebraut wurde oder irgend einer längst vergessenen Gottheit Kaninchen und Schafe geopfert wurden - der Ort hatte heute einen leicht gruseligen Charme, der ihm sehr gut stand.

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Geheimnisumwittertes Mistelzweig-Mekka

In Unionhall verrichteten wir anschließend ein paar kleinere Einkäufe und schauten den Fischern bei der Reparatur ihrer Netze zu. Mit größter Wahrscheinlichkeite stammte der Schellfisch, den wir zuvor in Scibbereen erstanden hatten und der heute Abend in unserer Pfanne lag (und bestens schmeckte), von hier - der Ort ist Standort einer entsprechenden Fangflotte.

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Schellfisch: Frisch vom Kutter in die Pfanne 

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Nichts für Ungeduldige: Netzflicken

Zum Abschluss unserer heutigen Tour besuchten wir einige sehr schöne Sandstrände an der Südküste. Wir hatten zwar unsere Handtücher dabei, aber es wäre dann wohl doch des Guten zuviel gewesen, diese auch auszulegen. Und so beschränkten wir uns darauf, kurze Strandwanderungen zu unternehmen, uns dabei die Gegenden bei gutem Wetter vorzustellen und für spätere Besuche vorzumerken. Irgendwann wird sich der Nebel ja auch mal wieder verziehen. 

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Einfach mal Fünfe gerade sein lassen, ...

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… es ist schließlich genug frei für den Strandbesuch.

Es war schon fast 17 Uhr geworden, als wir uns entschlossen, wieder heim zu fahren. Bis nach Kinsale sind wir wahrlich nicht gekommen - lediglich ein Drittel des Weges dorthin haben wir den Tag über zurück gelegt. Das lag sicher zum Teil an den Sichtverhältnissen und den extrem kniffligen Küstenpfaden, die mitunter den Geländewagen endlich mal forderten (und nebenbei rechtfertigten). Zum Großteil lag es aber an unseren vielen kleinen Stops und Spaziergängen. Ein sicheres Zeichen dafür, dass man hier bei (fast) jedem Wetter die Zeit gut verbringen kann. Den Rest des Abends verbringen wir u.a. mit dem Live-Ticker aus Hamburg, wo der heutige Auswärtssieg der Fortuna beim FC St. Pauli übertragen wird. 95, Olé! 

© Carsten Seiler 2013