Ungeplanter Wendepunkt

Heute früh wurden wir beim Aufstehen von allerbestem Wetter empfangen. Das hatte sich gestern Abend bereits angekündigt, als der Himmel urplötzlich aufbrach und die letzten drei Stunden bis zum Sonnenuntergang um kurz nach 22 Uhr in wunderbares Licht bei absoluter Windstille tauchte.

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Wetterumschwung mit prachtvoller Farbpalette


Wir hatten daher unseren Abendspaziergang mit einer kleinen Fotosafari verbunden und sind mit allerlei schönen Bildern belohnt worden, bevor wir schließlich an Bord zurückkehrten und die andächtige Stille um uns herum mit einem leckeren Glas Guinness genossen.

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Nach dem langen Regentag wirkte alles frisch und neu


Imponsant war bei unserem Rundgang insbesondere die Gegend um den Anleger und die beiden Flussufer. Was sich dort in den vergangenen Jahren getan hat, ist wahrlich beachtlich. Ob es die Wege durch die parkähnlichen Anlage sind, die Geländer an den Uferpromenaden, die Service-Einrichtungen für Bootsfahrer, der kleine Kinderspielplatz oder die zahlreichen Sitz- und Picknickgelegenheiten - alles wirkt brandneu und unglaublich gepflegt. Hatten wir Lanesborough von unserem letzten Besuch gar nicht einmal in besonderer Erinnerung, hat es sich dort in jetzigem Zustand auf jeden Fall verewigt.

Als wir heute um 12 Uhr schließlich von dort wieder aufbrachen, war alles wie gewohnt. Alle anderen waren schon weg. Aber immerhin hatten wir auch schon die letzte Ladung Proviant für diesen Urlaub im örtlichen Super Valu aufgenommen. Unter anderem wunderbar aussehenden Whiting (Weißfisch), den es gleich frisch zubereitet geben wird. 

Als wir Richtung des nördlich gelegenen Roosky losfuhren, hatte es sich leider zwischenzeitlich zugezogen und beständig zu regnen angefangen, so dass unterwegs der Entschluss reifte, erst einmal nur bis Tarmonbarry zu schippern, das auf halber Strecke liegt. 1 3/4 Stunde später waren wir dort angekommen und legten bei mittlerweile immer stärker werdendem Regen vor der Schleuse unterhalb von Tarmonbarry an. Dort wollten wir eigentlich die nächste Regenpause abwarten, um beim Schleusen nicht klitschnass zu werden. Die erste Gelegenheit heute also, einen Kakao zu trinken und einen Blick in die Bücher zu werfen.

Während unserer Pause erinnerten wir uns dann jedoch an eine Passage, die uns bei unserer zweiten Bootstour in 2008 besonders viel Freude bereitet hatte und die ihre Zufahrt praktischerweise genau gegenüber unseres Rastplatzes hatte: Der Clondra Canal, der einerseits die Verbindung zum Royal Canal und andererseits zum Camlin River herstellt - letzterer ist zweifellos eine der spektakulärsten, jedoch wenig beachteten Schiffspassagen durch die hiesige Landschaft.

Wir machten also los und fuhren in Richtung der Schleuse am Ende des kurzen Clondra Canal - eine der ganz wenigen Hebeanlagen, wo man den Schleusenwärter beim Eintreffen telefonisch kontaktiert. Der gute Mann macht sich dann im nahe gelegenen Richmond auf den Weg, um einem die Passage zu ermöglichen - und das sogar größtenteils in echter Handarbeit. 

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Zweifellos eine der urigsten Schleusen an den Wasserwegen: Clondra Lock


Zum allerersten Mal in diesem Urlaub hatte sich der Käpt’n sogar in seine Regenjacke gezwängt, um auf alle Eventualitäten vorbereit zu sein. Natürlich hatte er die Rechnung ohne das irische Wetter gemacht. Während wir noch auf den Schleusenwärter warteten, hörte der Regen plötzlich auf und die Sonne brutzelte aus einem strahlend blauen Himmel auf die viel zu warm angezogene Crew herab.

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Ziemlich eindeutig ein Seiler


Wir zuckelten einige hundert Meter den Clondra Canal entlang und bogen dann direkt zu einem der kleinsten, aber wegen der starken Strömung am Wehr herausfordernsten Anleger in der unteren Etage des Richmond Harbour ab. Es gibt dort neben dem unteren Hafen noch einen höher gelegen Teil, zu dem man noch einmal hätte hoch geschleust werden müssen. Von dort geht es dann auch in den 145 km langen Royal Canal, der den Shannon ebenfalls - wie der Grand Canal, der bei Shannonbridge mündet - mit Dublin verbindet. Zwei Kanäle und beide nach Dublin? Ja, denn Mitte des 18. Jahrhunderts konkurrierten beide Bauprojekte miteinander, nur um beide kurze Zeit nach ihrer Eröffnung durch eine Eisenbahntrasse für den gewerblichen Schiffsverkehr unattraktiv zu werden. That’s life.

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Da kann der Nürburgring einpacken: Grüne Hölle Clondra Canal


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Alle Wege führen nach Dublin - ehrgeiziges Bauprojekt ohne Fortune: Royal Canal


Nach einem halsbrecherischen Anlegemanöver liegen wir nun unmittelbar am Wehr und genießen das stete Plätschern des Wassers, während wir den heutigen Einkauf verputzen, die letzten dunklen Regenwolken mit einem leichten Donnergrummeln vorüberziehen und wir im Stillen auf einen Wetterumschwung wie gestern Abend hoffen.

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Da hat die Kombüse mal wieder ordentlich gezaubert


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Oha, da geht doch sicher noch was!


Ab morgen werden wir uns dann gezwungenermaßen so langsam auf den Rückweg zur Heimatbasis machen und natürlich voher ein passendes Etappenziel mit der Möglichkeit heraussuchen, das zweite Deutschland-Spiel live im Pub zu verfolgen. Wobei der EM-Titel eigentlich im Duell der beiden sympathischsten Fangruppen vergeben werden sollte. Das Endspiel würde dann wohl Irland gegen Island lauten. Wer die mitreißenden Bilder der ausgelassenen und friedlich feiernden Fans aus diesen Ländern gesehen hat, könnte sicher - genau wie wir - sehr gut mit einem solchem Ausgang des Turniers leben. 


© Carsten Seiler 2013