Ja, mir san mit’m Radl da

Die Vorhersage lautete, dass es heute ab Mittag regnen sollte. Aber man darf einfach nicht immer alles glauben, wenn es ums Wetter geht - schon gar nicht hier in Irland. Den ganzen Tag über war es knochentrocken und ab frühem Nachmittag schien sogar durchgehend die Sonne bei einem mitunter völlig wolkenlosen Himmel. Jetzt läuft bereits das Championsleague-Finale und es ist immer noch schlicht herrlich bei angenehmen Temperaturen draußen.

Unser Tag begann etwas später als gewohnt, da Annika noch einmal die Pfingstferien in vollen Zügen genießen wollte und einfach ein wenig länger als sonst in den Federn blieb. Absolut nachvollziehbar und kein Problem, da wir heute ohnehin nicht mehr machen wollten als über den Healy-Pass nach Kenmare zu fahren, um dort ein bisschen in die kleinen Lädchen und Geschäfte hineinzuschnuppern.

Gegen halb eins zogen wir also los und zuckelten gemütlich den schönen Passweg in die Berge hinauf, der beinahe an unserer Hazienda beginnt.

An unzähligen Schafen vorbei ging es immer höher, bis wir schließlich oben angekommen waren und zu Fuß eine kleine Kletterpartie Richtung Gipfel der Caha Mountains unternahmen.

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Die beeindruckende Felslandschaft am Healy Pass lädt zum Kraxeln ein 

 

Mit der Fahrt durch das Gebirge und über die anschließende Küstenstraße R571, die zum Wild Atlantik Way zählt, hatten wir uns instinktiv goldrichtig entschieden. Auf der N71 wären wir vermutlich wesentlich langsamer voran gekommen, als auf unserem zwar engen und kurvigen aber mit tollen Ausblicken auf die Kenmare Bucht aufwartenden Weg. Grund dafür war der heute in Kenmare startende und endende „Ring of Beara Cycle“, ein Radfahr-Spektakel der ganz besonderen Art. Ob alt oder jung, Mann oder Frau, mit Six-Pack oder Bierbauch: Alles, was sich gerne auf zwei Rädern fortbewegt, war heute auf einem wirklich beachtlichen Rundweg über die Halbinsel unterwegs - wahlweise über 110 oder sogar 140 Km und das alles mit einem mehr als respektablen Höhenprofil. Ein offensichtlich fantastisch organisiertes Großevent mit Helfern und Teilnehmern, die allesamt viel Spaß hatten und die ganze Geschichte zweifellos ernst, aber keinesfalls verbissen nahmen.

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Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte: Eine Runde am Meer lang und durch das Gebirge


Als wir in Kenmare ankamen, stand der ganze Ort bereits ganz im Zeichen des Rad-Breitensports. Die Innenstadt war vollständig abgeriegelt und die Hauptstraße musste einer Start-/Ziel-Durchfahrt weichen. Und dort trudelten dann nach und nach auch die erschöpften aber glücklichen Radler ein - und jeder einzelnde wurde frenetisch bejubelt. Sieger waren sie allesamt an diesem Tag.

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Man kann ihnen nur größten Respekt zollen: Die Helden von Kenmare


Die tapferen 4.099 angemeldeten Recken erwartete für eine Startgebühr von 65 €  dabei außer Blut, Schweiß und Tränen jede Menge drum herum: So gab es neben dem obligatorischen Trikot für jeden Teilnehmer nicht nur eine Medaille und ein warmes Essen, es standen zur Erholung auch Whirlpools und Massagen zur Verfügung. 

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Das Happy End gab es bereits vor der Massage


Es wurde zwar als Benefit im Ticketpreis erwähnt, aber mit bester Stimmung und Unterhaltung wurden nicht nur die Radfahrer versorgt. Überall am Streckenrand oder auch rund um den zentralen Platz gab es ein großes Hallo bei Musik und Bühnenprogramm. Die Veranstalter haben sich wie schon am mit Service-Points und mobilem Pannendienst gespickten Streckenverlauf nicht lumpen lassen und in Kenmare einen beeindruckenden Rahmen für das Event auf die Beine gestellt.

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Der Elektrolythaushalt war schnell wieder auf dem Stand, verbrauchte Kalorien vergessen

  

Wir hatten Glück und ergatterten einen Tisch unmittelbar am Rande des Zieleinlaufs und genossen bei mittlerweile bestem Wetter Bulmers, Sandwiches und hausgemachten Burger vor Paddy Foley’s Pub, während immer weitere Strampler unter großem Jubel der Schaulustigen, Fans und Familien die letzten Meter ausrollten.

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Wer entspannt zusehen kann, wie andere rackern, hat gut Lachen


Gegen späten Nachmittag traten wir den Heimweg an, auf dem uns immer noch sporadisch Radfahrer - einige den Caha Pass zwischen Kerry und Cork ihren Drahtesel hinauf schiebend - entgegen kamen. Für uns standen als sportliche Betätigung noch eine Runde Crossboule im Wald von Glengarriff und die Revanche anschließend am Healy Pass an, bevor Annika leider schon ihre Reisetasche packen musste und wir nach Apfelpfannekuchen den Rest des Star Trek Films von gestern Abend sahen.


© Carsten Seiler 2013