Robben ohne Arjen

Irland ist seit heute Nachmittag wie ausgestorben. Das liegt aber weniger an dem etwas diesigen Wetter (da lachen die Iren drüber und sprechen von quite good weather) als vielmehr an dem diesjährigen Hurling-Endspiel, das um 15.30 Uhr startet. Clare gegen Cork heisst die Partie und der gesamte County hat ordentlich geflaggt. Beinahe kein Auto, an dem nicht eine Fahne an den Seitenfenstern gehisst wurde. Dass außerhalb Irlands praktisch niemand den hiesigen Nationalsport kennt, stört die Iren nicht wirklich. Schließlich bedeutet das ja nichts anderes, als dass der heutige Sieger nicht nur Landes- sondern gleichzeitig praktisch auch Europa- und Weltmeister ist. Kein Mensch redet hier mehr über die 1:2-Niederlage im Fussball gegen die Schweden. Was ist schließlich schon eine schnöde Fifa-Weltmeisterschaft gegen das Hurling-Ereignis des Jahres?

Wir haben die verwaisten Straßen genutzt - nicht, dass die jemals belebt wären - und sind Richtung Schull gefahren, um den dortigen Markt zu besuchen. Der ist zwar nicht groß, dafür aber umso liebevoller betrieben. Angeboten werden ausschließlich heimische Proddukte - von Käse, Marmeladen und Gewürzen über Fisch und Fleisch bis hin zu Keramik-Arbeiten und den obligatorischen Backwaren (insbesondere Scones in allen nur denkbaren Varianten) ist stets alles vorhanden. Begleitet wird das Ganze von Live-Musik, jeder Menge spielender Hunde und einer Handvoll Unverwegener, die sich mit oder ohne Jet-Ski in den Atlantik stürzen. Einfach eine nette beschauliche Atmosphäre. Entschieden haben wir uns letztlich für den home-made Honey von fröhlichen Westcork-Bienen. Ein stolzer Preis zwar - aber der relativiert sich natürlich, wenn man bedenkt, dass die Bienen ja zunächst einzeln gefangen und gemolken werden müssen …

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Wochenend-Shopping im Hurling-Fieber

Ein paar Meter vom Markt entfernt und auf halben Weg zum einzigen Planetarium Irlands liegt offen an der Bucht der Hafen von Schull, in dem nicht nur jede Menge Boote verträumt vor sich hin dümpeln und die örtliche Schule den Kindern Segelunterricht erteilt, sondern von wo aus auch Trips zu den vorgelagerten Inseln angeboten werden - bei dem heutigen Wetter allerdings keine alternativlose Idee für die Tagesplanung.

In Irland lohnt es sich stets, auch mal doppelt hinzusehen. Das nebensächliche Geblubber unweit unseres Standortes auf dem Pier kam nämlich gar nicht von einem der Schiffe, sondern entstammte einer träge vor sich hin schnorchelnden Robbe, die offensichtlich mal nach dem Rechten sehen wollte und dabei um kein Fotoshooting verlegen war. Unverhofft kommt oft. 

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Auch von Nicht-Bayern-Fans zu ertragen: Echte Robben

Wir haben uns in Schull noch schnell mit Brennholz eingedeckt, falls das heutige Wetter doch langfristig so bleiben sollte. Ein Teil des restlichen Tages wird also auf jeden Fall vor dem Kamin verbracht. Vielleicht feiern wir auch mit den Iren im Pub die Hurling-Meisterschaft - für wen, wird denen letztlich genauso egal sein wie uns. Das Einzige, was uns unterscheidet: Wir kennen nicht einmal die Regeln. Aber wer braucht die auch schon, um anständig einen zu trinken?

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jedem das seine


© Carsten Seiler 2013